Vergangene Woche haben sich die Briten mehrheitlich für den Austritt aus der EU, den sog. „Brexit“, entschieden. Scheinbar gab vor allem die Ablehnung der Brüsseler Bürokratie den Ausschlag, gepaart mit dem Willen der Briten, ihr Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Natürlich gibt es Reformbedarf in der EU. Das Parlament hat zu wenig Einfluss, die Bürokraten zu viel. Bei kleinen Fragen, bspw. den Ölkännchen im Restaurant, spielt sich die EU auf. Bei großen Fragen, wie der Flüchtlingskrise, ist sie ein Zwerg. Sie kostet Geld, überreguliert vieles und ist schwer zu verstehen. Aber sie ist eben auch ein Friedensprojekt, das für Freizügigkeit und Freiheit steht, für offene Grenzen und offene Herzen, für Freundschaft statt jahrhundertelanger Feindschaft.
In kaum einer Stadt sollte man diese Errungenschaften so sehr schätzen wie in Saarbrücken. Wir dürfen in Freundschaft mit unseren französischen Nachbarn leben, profitieren vom Austausch miteinander: wirtschaftlich, aber auch kulturell oder gesellschaftlich. Wo früher Abschottung und Hass herrschten, gibt es heute grenzüberschreitende Arbeits-, Geschäfts- und Lebensmodelle. Diese Erfolge sollten wir nicht kampflos den Nationalisten und Kleinstaatlern opfern. Wir sollten den Brexit zum Anlass nehmen, um die EU zu verbessern. Damit sie sich aus Wesentliche konzentriert, ihren Mitgliedstaaten mehr Freiheiten lässt und die Bürokratie zurückschraubt.
Anmerkung: Bei der Wochenspiegel-Kolumne handelt es sich um ein Format, bei dem die Vertreter der Fraktionen im Saarbrücker Stadtrat wöchentlich zu einem aktuellen Thema Stellung beziehen. Für die Freien Demokraten wechsele ich mich hierbei mit meinem Fraktionskollegen Karsten Krämer ab. Damit alle Fraktionen die Möglichkeit haben, sich im Wochenspiegel zu äußern, ist die Anzahl der zur Verfügung stehenden Zeichen auf insgesamt 1460 begrenzt. Dies gewährleistet Chancengleichheit für die Fraktionen, zwingt jedoch dazu, sich knapp zu halten und nicht alle angesprochen Fragen umfassend zu erläutern.
In dieser Kolumne wäre es schön gewesen, ein wenig ausführlicher darauf eingehen zu können, welches die konkreten Vorteile einzugehen. Den hohen Anteil französischer Kunden in unserer Innenstadt, die kulturelle Bereicherung durch den Austausch und gemeinsame kulturelle Veranstaltungen und Festivals, oder die Bedeutung, die das Zusammenwachsen unserer Länder für die Lebenswirklichkeit vieler Familien besitzt. Gleichzeitig hätte es sich aber auch angeboten, den Korrekturbedarf innerhalb der EU deutlicher herauszuarbeiten: das Demokratiedefizit auf Seiten der Schwäche des Europäischen Parlaments, die überbordende Bürokratie, die Schwäche der Europäischen Union bei vielen wichtigen Themen.